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03.02.2011, 12:32 Uhr
Presse: DerWesten.de: Von Grundrechten und Maulkörben
01.02.2011 / Lokales
 
Autor: Markus Grenz 
 
Essener Süden.
Stimmt die Chemie in einem politischen Gremium nicht, dann werden die Themen aufgeheizt, bis sie kochen. Der Streit um das Rederecht für Einwohner in der vergangenen Sitzung der Bezirksvertretung (BV) II setzt eine Diskussionskultur fort, die sich seit der vergangenen Kommunalwahl zur kleinen Tradition entwickelt hat. Bezirksbürgermeister Michael Roy (SPD) wird undemokratisches Verhalten vorgeworfen.
 
Hintergrund: In der Septembersitzung des vergangenen Jahres brach Roy, der auch die Sitzung leitete, ein Tabu. Im Rahmen der Einwohnerfragestunde teilte er Rolf Krane, Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR), mit, dass dieser zukünftig wohl noch Fragen stellen könne, mehr aber auch nicht. Krane ist Dauergast der BV II und hat auch immer wieder zu berichten, formuliert gerne Anregungen, ist damit nicht selten anderer Meinung als „sein Bürgermeister“.
 
„Das darf Roy gar nicht“, ist der eine Vorwurf, der seitdem im Raum steht. „Ungleichbehandlung“ der andere. Schon in der November-Sitzung durfte ein Bürger sein Anliegen minutenlang ausführen. Roy konterte: Da Krane nicht als Einwohner gesprochen habe, sondern als IGR-Vertreter, dürfe Roy ihm sehr wohl das Wort verwehren, nur „richtigen“ Bürgern eben nicht. Dies ließ er – formuliert als allgemeine Regel – in die Protokolle schreiben und lieferte damit eine Steilvorlage.
 
Die Opposition kämpft nämlich nun um demokratische Grundrechte und hat damit vielleicht gar nicht einmal unrecht. Heinz-Leo Draese, Sprecher der CDU, stellte nun den Antrag Bürgern, Vereins-, Verbands, Vereinigungs- oder Initiativenvertretern das Recht zuzubilligen, ihre Anliegen in Berichts- oder Frageform kundzutun. Draese argumentiert mit der Geschäftsordnung des Stadtrates und der Bezirksvertretungen. Eine Un-terscheidung zwischen „natürlichen Personen“ und Vertretern von Institutionen sei gar nicht vorgesehen. „Ich weiß nicht, aus welcher Laune heraus der IGR ein Maulkorb verpasst wird“, sagt Draese. So kocht man ein Thema hoch.
 
Natürlich konnte die SPD, die sich in einer Koalition mit den Grünen und den Linken auf eine Mehrheit verlassen kann, dies so nicht stehen lassen. SPD-Sprecher Peter Lankes nahm seinen Bezirksbürgermeister in Schutz und zitierte seinerseits aus dem Regelwerk, allerdings im Gegenschluss. „Die Bezirksvertretungen können Fragestunden für Einwohner durchführen“, sagte er und meinte: Für Nicht-Personen gelte dies eben nicht.
 
„Das ist uns so auch noch nicht untergekommen“, sagt dazu auf Anfrage dieser Zeitung Walter Ruege vom Amt für Ratsangelegenheiten. Wahrscheinlich wird er sich näher mit dem Fall beschäftigen müssen. „Aus dem Bauch heraus“ – also ohne gründliche Prüfung – sehe er zunächst keine Unterscheidung im Text zwischen „natürlicher“ Person oder Interessenvertreter. Diese Einschätzung teilen verschiedene Beteiligte, die mit Bezirksvertretungen seit Jahren zu tun haben.
 
Laienjuristerei oder nicht: Zunächst einmal bedeutet die SPD-Linie im Bezirk II, dass die verschiedenen Bürgervereine und sonstigen Personengruppen sich in den Sitzungen nur noch mit Fragen zu Wort melden dürfen. Schmecken wird ihnen das nicht.
 
Den anderen Bezirksvertretern auch nicht. In den Reihen der Mehrheitskoalition be-mühte man sich um Einlenken. „Bitte suchen Sie die Klärung der Frage über einen anderen Weg“, versuchte Matthias Klahold, Sprecher der Grünen, die CDU zum Zurückziehen des Antrags zu bewegen. Er weiß: Hier wird an einer, seit vielen Jahren gültigen, Umgangsweise gerüttelt. Und ein gestellter Antrag ist auch im Nachhinein nicht leicht wegzureden. Natürlich blieb Draese hart. Selbst von FDP-Mann Helmut Dinter ließ er sich nicht zur Klärung auf einem „kleineren Dienstweg“ bewegen. Dinter merkte nur noch an: „Herr Roy hat einen Stein ins Wasser geworfen und darf sich nicht wundern, dass es jetzt brodelt:“
 
(Quelle: http://service.derwesten.de/zeitungsarchiv/detail.php?query=1294390524581&article=8&auftritt=WAZ)

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